Skip to content

Neuer Vorstand / Interview

29. November 2020

„Ich stehe nicht für zu viel Harmonie“

Das Interview mit Frank Specht (1. Vorsitzender)

Mainz. Vor genau 100 Tagen endete die Ära Joachim Mayer, und der neue Vorstand um Klubchef Frank Specht kam ins Amt. Welche Entwicklung der SV Gonsenheim in den nächsten drei bis fünf Jahren nehmen soll, was sich schon bald an der Anlage ändert und wie das tiefe Loch, das Corona in den Etat gerissen hat, zu füllen ist, erläutert Specht im Interview der Woche.

 

 

Wie fällt nach genau 100 Tagen im Amt Ihr Zwischenfazit aus?

Sehr gut. Am Anfang musste sich alles einspielen, aber wir sind deutlich weiter in der Umsetzung der Themen, die wir uns vorgenommen haben, als wir gedacht hätten. Dass wir uns nicht selbst überholen, ist im Moment fast meine größte Aufgabe.

 

Es ist ja auch manch recht tatkräftiger Charakter Teil des neuen Vorstands…

Ich bin kein Freund des Wortes ich, sondern des Wortes wir. Aber in dem Fall würde ich das Wort ich benutzen und sagen, dass es einen Grund gibt, warum ich diese Leute im Vorstand haben wollte. Wenn du Erfolg haben willst, brauchst du starke Charaktere. Das ist nicht immer einfach, sorgt aber, wenn du an einem Strang ziehst, dafür, dass du erfolgreich bist. Ich stehe nicht für zu viel Harmonie. Das ist langfristig nicht gut, es muss auch mal Reibereien geben. Für den Amateursport als reiner Fußballverein ist der SV Gonsenheim ein großer Tanker. Den zu bewegen, dauert länger als bei einem Speedboot, aber wenn er in Bewegung ist, ist er nicht mehr aufzuhalten.

 

Neben dem Tanker war auch der schlafende Riese vor 100 Tagen eine Metapher zum Vorstandswechsel. In welcher Hinsicht wurde denn geschlafen? Geht es um das Thema Außenwirkung? Sportlich scheint ja wesentlich mehr kaum möglich zu sein?

Die letzte Frage kann ich in diesem Moment noch gar nicht beantworten. Einfach mal gesponnen, es ist kein Ziel für uns, aber: Wenn du in die Regionalliga aufsteigst, unterliegst du ganz anderen infrastrukturellen Anforderungen. Die müssen wir erst einmal schaffen. Zunächst geht es aber darum, in einem der schwierigsten Jahre seines 101-jährigen Bestehens den SV Gonsenheim zu stabilisieren. Der Tanker gefällt mir als Sprachbild deutlich besser, denn geschlafen haben wir hier auch mit dem alten Vorstand natürlich keineswegs. Aber die Anforderungen an einen Verein wie uns sind ganz andere geworden. Das Management muss auf viele Schultern verteilt werden. Menschen zu finden, die darauf Lust haben, war eine große Aufgabe.

 

Worum geht es inhaltlich?

Zunächst um die Modernisierung unserer Gebäude. Da muss einiges passieren, wenn ich an Kabinen, Duschtrakt oder die Vereinsgaststätte denke. Weil die finanziellen Mittel nicht da waren, liegt einiges brach. Dabei dürfen wir aber das Sportliche nicht aus den Augen verlieren. Nächstes Jahr soll es mit dem Duschtrakt losgehen. In diesem Jahr war die Modernisierung der Platzwart-Wohnung das große Thema.

 

Wo kommt das Geld her?

So, wie es aussieht, können wir trotz Corona ein sehr stabiles Geschäftsjahr abschließen und auch Kreditlinien, die noch da waren, bis Ende des Jahres zurückführen. Die neuen Vorhaben können aus Eigenkapital und einer Finanzierung entstehen, aufbauend auf Eigenbesitz und zu 100 Prozent abgesichert. Wir waren und werden schuldenfrei bleiben, was aber einen Investitionskredit, der mit Sicherheiten in Form unseres Immobilienbesitzes hinterlegt ist, nicht ausschließt. Das Zinsniveau zwingt einen ja förmlich dazu, zu investieren, und das werden wir auch tun.

 

Welche weiteren Projekte stehen an?

Mit unserem neuen Verkaufsstand haben wir einen ersten Schritt gemacht, der Spielplatz wird vermutlich spätestens im Frühjahr fertig sein. Auf der Anlage gibt es weitere Dinge zu optimieren.

 

Es waren sehr turbulente erste 100 Tage. Corona, der Streit mit Wormatia Worms, der sportliche Umbruch. Wo steht der SVG, auch in Sachen Außenwirkung?

Die vorrangige Aufgabe war, den Verein wirtschaftlich zu stabilisieren, und das ist uns hervorragend gelungen. Wir haben das Budget bei der ersten Mannschaft um ein Drittel reduziert, das war der größte Hebel. An Kooperationen und Sponsoring haben wir einiges neu akquiriert. Dass der Verein öffentlich sehr positiv wahrgenommen wird, bekommen wir wöchentlich bestätigt. Die Entwicklung der Jugendabteilung ist eine pure Freude. Hier wollen wir ein noch angenehmeres Umfeld schaffen, indem wir an der Ausstattung arbeiten. Da ist bereits Erhebliches passiert. Auch mit der Entwicklung der ersten Mannschaft sind wir mit Blick auf das Budget absolut zufrieden. Wir haben sehr viele weitere Ideen und Projekte in der Schublade. Auf das Jahr 2021 können sich die Spieler und Mitglieder extrem freuen.

 

Nennen Sie zwei, drei Beispiele?

Nein.

 

Eins?

Nein (lacht). Unser Organisations-Vorstand weiß zumindest, dass ihm 2021 nicht langweilig wird, sofern die Pandemie es zulässt.

 

Ein Vorsitzender, der, weil er berufs- und familienbedingt pendelt, die Spiele seiner Mannschaft nicht sehen kann, ist nichts Alltägliches. Ein Hemmnis für Ihre Arbeit?

Nein, aufgrund meiner Vorstandskollegen, die alle ihre Themenbereiche vorantreiben. Alle machen einen Super-Job, wir sind als Kollektiv stark. Der einzige Star, den wir haben, ist der Gesamtverein, das zeichnet den SV Gonsenheim schon lange aus. In der digitalen Zeit kann ich sofort mit allen kommunizieren. Und innerhalb der Woche schaffe ich es auch immer wieder, vor Ort zu sein. Ich persönlich würde natürlich gern die Aktiven- und Jugendspiele anschauen. Ich unterstelle aber, dass die Spieler nicht besser oder schlechter spielen, wenn ich an der Seitenlinie stehe.

 

Was hat der SVG sich mit Blick auf die sportliche Entwicklung vorgenommen?

Es gibt einen Drei- bis Fünf-Jahres-Plan. Als Jürgen Collet und ich angefangen haben, uns in der Landesliga um die erste Mannschaft zu kümmern, hatten wir auch einen solchen Plan, den wir sogar schneller erreicht haben. Uns allen im Vorstand ist bewusst, dass es um ein nachhaltiges Langfrist-Projekt geht. Punkte, die für uns klar sind, sind die Werte, die wir vorleben und weitergeben wollen. Die Philosophie, auf unsere erfolgreiche Jugendarbeit zu setzen, bleibt bestehen. Die Aktualität zeigt, dass die besten Konzepte nichts helfen, wenn Unvorhergesehenes eintritt. Die Prozesse, die Aufbaustruktur, müssen agiler und beweglicher werden. Dann verbesserst du dich automatisch. Bodenständig und konsequent eine Stufe nach der anderen gehen, das ist unser Weg.

An den Anfang scrollen